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Wir bilden Fachkräfte im Bereich Natura 2000 weiter – für den Schutz der europäischen Artenvielfalt

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Grundlagen Waldbau

Wälder sind eine der wichtigsten erneuerbaren Ressourcen der Welt. In der Europäischen Union werden die Einnahmen aus der Forstwirtschaft und dem Holzeinschlag auf 55 Mrd. EUR pro Jahr geschätzt, und in der Branche sind mehr als eine halbe Million Menschen beschäftigt (EUROSTAT, 2020).

Forstwirtschaft ist definiert als die Lehre und Wissenschaft von der Bewirtschaftung von Waldflächen. Grundlage der Forstwirtschaft ist die Überzeugung, dass Wälder über lange Zeiträume hinweg rational und mit klaren Zielen bewirtschaftet werden können. Sie umfasst den Schutz des Waldes, die kontinuierliche Produktion von Holz und anderen Erzeugnissen nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit, die Bewirtschaftung von Wassereinzugsgebieten und die Erhaltung aller anderen Ökosystemleistungen und Werte, die der Wald für den Menschen erbringt (Agnoletti et al. 2000).

Es gibt verschiedene Arten der Bewirtschaftung von Wäldern, die die Dauer der Umtriebszeit und das Auftreten der verschiedener Sukzessionsstadien bestimmen. Die heute am weitesten verbreitete Bewirtschaftungsformist der Hochwald, die bereits im 19. Jahrhundert angewandt wurde (Oldeman 1990; Piussi 1994). Unter „Hochwald“ versteht man Waldbestände, die aus einzelstämmigen Bäumen bestehen, die aus samenbrütiger, natürlicher Verjüngung oder Pflanzung hervorgegangen sind (Kernwuchs). Ziel dieser Nutzung ist es, einzelne gut gewachsene Hochstämme als „Wertholz“ für Bau o.ä. zu erzeugen (Röhrig et al. 2006, Ellenberg & Leuschner 2010). Demgegenüber steht die Niederwaldnutzung, bei der die Bäume alle 20 – 30 Jahre abgeschnittene („gehauen“ → „Hauberg“) werden. Dies schlagen dann aus dem abgeschnittenen Stock aus ( → „Stockausschläge“) und wachsen, bis sie dann wieder geschlagen werden. Niederwälder wurden in der Vergangenheit überwiegend zur Brennholz- und Holzkohle-Gewinnung betrieben (Hilf 2003, Ellenberg & Leuschner 2010). Aufgrund des wiederkehrenden Schnittes können sie nur aus ausschlagkräftigen Baumarten wie z.B. Trauben- und Stieleiche oder Hainbuche bestehen. In früheren Zeiten wurden nach Abtrieb des Niederwaldes die offenen Flächen zusätzlich mit Getreide eingesät und danach in einer heideartigen Nutzung beweidet (Ellenberg & Leuschner 2010, Poschlod 2015). Vor allem durch die raum-zeitliche Dynamik der Strukturen war das multifunktionale Niederwaldsystem artenreich. Mittelwälder stehen gewissermaßen zwischen Hoch- und Niederwald: der Waldbestand wird als Niederwald genutzt, einzelne Bäume (Kernwüchse oder Stockausschläge) werden zur Gewinnung von hochstämmigem Wertholz über die kurze Niederwald-Umtriebszeit hinausstehen gelassen. Diese sogenannten Überhälter bestehen in den noch vorhandenen Mittelwäldern der Windsheimer Bucht oder im Rhön-Grabfeld in der Regel aus Eichen.

Unter den verschiedenen Waldbewirtschaftungsmethoden war lange der Kahlschlag die dominierende Nutzungsart der Hochwälder und ist es bei den Nadelholzbeständen immer noch. Bei der Kahlschlagnutzung wird der gesamte Bestand zu Schlagreife abgetrieben und dann nachgepflanzt (vgl. Röhrig et al. 2006). Als naturnähere Formen der Hochwaldnutzung gelten Schirm- und Femelschlag sowie der Plenterwald. Alle drei zielen im Wesentlichen darauf ab, die natürlichen Prozesse im Bestand abzubilden - vor allem die Naturverjüngung zu nutzen - und funktionieren am besten bei Schattholzarten wie Buche und Tanne. Beim Schirmschlag wird das Kronendach des gesamten Bestandes i.d.R. in drei Schritten aufgelichtet (erst ca. 15%, dann 40%, dann 80% Entnahme des Kronendaches) bevor dann der Rest des Altholzes in einem 4. Schritt auch noch entnommen wird. Beim Femelschlag wird dagegen in einem Schritt der größere Teil der Altbäume entnommen, dafür aber nur auf sehr kleinen, immer neuen Flächen nacheinander („Lichtungen“), die dann sukzessiv radial erweitert werden, bis auf der ganzen Fläche das schlagreife Holz abgeräumt ist (vgl. Röhrig et al. 2006). Ebenfalls naturnah ist die Plenterbewirtschaftung, die heute in Buchen- und Buchen-Mischwäldern weit verbreitet ist. Bei dieser Nutzung werden die schlagreifen Bäume über mehrere Jahre hinweg einzelstammweise entnommen. Naturverjüngung findet in einer naturnahen Bestandsdynamik auf kleinstem Raum statt, so dass eine dauerwaldartige Bestandsstruktur geschaffen wird (vgl. Röhrig et al. 2006, Clarke, Vesterdal 2015).

Eine Sonderform der Bewirtschaftung stellt der Hutewald dar. Der Hutewald (oder Hudewald) hat seinen Namen von „Hutung“ (Hütung), was darauf hinweist, dass die Bestände zusätzlich zu einer forstlichen Nutzung auch noch extensiv beweidet werden. Hutewälder zeichnen sich durch einen Wechsel aus offenen, weideähnlichen Bereichen, in den nur einzelne sehr alte und totholzreiche Überhälter stehen („Hutebäume“), und dichten bewaldeten Bereichen aus. Die Hutewald-Nutzung war einst weit verbreitet und wird heute großflächig im Wesentlichen nur noch in einigen Regionen des Mittelmeerraumes praktiziert. So ist die „Dehesa“ (spanisch für „Beweideter Eichenwald“) in der Extremadura nichts anderes als ein mehr oder weniger dichter Hutewald aus Stein- und Korkeichen, der mit unterschiedlichen Tierrassen - vor allem auch Schweinen - beweidet wird. Hutewälder sind sehr strukturreich und kombinieren auf einer Fläche unterschiedlichste Habitate. Sie zeichnen sich zusammen mit den strukturell ähnlichen Mittel- und Niederwäldern durch ihre multifunktionelle Nutzung und ihren Artenreichtum aus. Insbesondere für die stark gefährdeten Arten der saum- und halbschattigen Übergänge, sogenannte Lichtwaldarten, haben sie große Bedeutung.

Alle Waldbewirtschaftungsformen, die auf die Holzproduktion abzielen, beeinflussen die Struktur der Wälder und die die Zahl und Variabilität der beteiligten Lebensräume. Die Intensität der Bewirtschaftung beeinflusst die Biodiversität auf verschiedenen Ebenen stark (Gavin et al. 2022). Die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Wälder in einem guten Zustand zu erhalten und ihre Funktionen sowohl für die biologische Vielfalt als auch für das Klima zu bewahren. Ein heute vorherrschender Ansatz für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ist das Konzept des multifunktionalen Waldes, das Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde (Palleto et al. 2008). Multifunktionalität bedeutet hier, dass die Bewirtschaftung mehrere Waldfunktionen auf derselben Fläche integrieren sollte, indem die Holzernte mit den Grundprinzipien des Waldnaturschutzes kombiniert wird, wie z. B. das Belassen einer angemessenen Menge an Totholz, die Erhaltung von Habitatbäumen und Altbaumgruppen (Deutsche Nationale Akademie der Wissenschaften 2017).

In der neuen EU-Forststrategie für 2030, die von der Europäischen Kommission im Juli 2021 angenommen wurde, wird das Konzept der „Naturnahen Waldbewirtschaftung“ vorgeschlagen, um eine Vision und Orientierung für die bewirtschafteten Wälder in Europa zu geben. Die naturnahe Waldbewirtschaftung fußt auf einer ganzheitlichen Betrachtung des Ökosystems Wald als ein kontinuierliches, vielfältiges und dynamisches Ökosystem, in dem versucht wird, die natürlichen Prozesse nachzuahmen.

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Abb. 1. Die Abbildung illustriert die verschiedenen Formen der Waldbewirtschaftung - ein natürlicher Wald „Prozessschutz“ (oberes Feld), ein intensiv für die Holzproduktion bewirtschafteter Wald (naturferner Zustand) (mittleres Feld) und ausgewählte Beispiele aus den 12 "Forest Development Types" (FDT), die Larsen et al. (2022) für die Umwandlung von Monokulturen in Wälder vorgeschlagen haben und dem Prinzip der "naturnahen Bewirtschaftung” (untere Felder) zu Grunde liegen (European Forest Institute 2022).

Im Rahmen der naturnahen Waldbewirtschaftung sollen die für Wälder charakteristischen Bestandteile, Strukturen und Prozesse gefördert und damit die Vielfalt an Baumarten und -strukturen, die Vielfalt an Baumgrößen und Entwicklungsstadien sowie die Vielfalt an Lebensräumen, einschließlich Habitatbäumen und Totholz, erhöht werden. Die Forstwirtschaft nach den Grundsätzen des Naturschutzes wird in Europa auf 22-30 % der Waldfläche praktiziert, Tendenz steigend. In Deutschland ist dieser Ansatz in einigen Bundesländern bereits gesetzlich vorgeschrieben (European Forest Institute 2022).

Quellen

Agnoletti M., Dargavel J., Johann E. (2000): The role of food, agriculture, forestry, and fisheries in human nutrition – Vol. II - History of Forestry.

Clarke N., Per Gundersen, Jönsson-Belyazid U., Kjønaas O. J., Persson T., Bjarni D. Sigurdsson, Stupak I., Vesterdal L. (2015): Influence of different tree-harvesting intensities on forest soil carbon stocks in boreal and northern temperate forest ecosystems, Forest Ecology and Management, Volume 351.

Ellenberg H.,  Leuschner C. (2010): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen: In ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. Ulmer Verlag, Stuttgart.

German National Academy of Sciences Leopoldina (eds.) (2017): Multi-functionality and sustainability in the European Union Forest, EASAC policy report 12, April 2017. Berlin.

Larsen, J.B., Angelstam, P., Bauhus, J., Carvalho, J.F., Diaci, J., Dobrowolska, D., Gazda, A., Gustafsson, L., Krumm, F., Knoke, T., Konczal, A., Kuuluvainen, T., Mason, B., Motta, R., Pötzelsberger, E., Rigling, A., Schuck, A. (2022): Closer-to-Nature Forest Management. From Science to Policy 12. European Forest Institute.

Palleto A., Sereno C., Furuido H. (2008): Historical evolution of forest management in Europe and in Japan, Bull. Tokyo Univ. For. 119: 25–44.

Poschlod P. (2015): Geschichte der Kulturlandschaft. Ulmer, Stuttgart.

Röhrig E., Bartsch N., v. Lüpke B. (2006): Waldbau auf ökologischer Grundlage. Ulmer Stuttgart.

Scolastri A., Cancellieri L., Iocchi M., Cutini M. (2017): Old coppice versus high forest: the impact of beech forest management on plant species diversity in central Apennines (Italy). Journal of Plant Ecology 10: 316 – 323.

Datum: 13.12.2024
Online: https://www.natura2000manager.de
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