E-Learning-Lehrgang „Natura-2000-Manager/in“
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Besondere Nutzungsformen und ihre Auswirkungen

Neben der Hochwaldnutzung gab es vor allem in früheren Jahrhunderte noch grundlegend andere Nutzungsformen des Waldes: Niederwald- und Mittelwaldnutzung sowie Hute- (oder Hude-)wälder. Letztere wurden zusätzlich zu einer eingeschränkten Holznutzung noch mit Rindern, Ziegen, Schafen und vor allem Schweinen beweidet. Ihnen gemein ist, dass die Bestände durch Abtrieb der Bäume alle 20-30 Jahre, belassen einzelner „Überhälter“ im Bestand oder durch Beweidung, in mehr oder weniger lichte Wälder mit ausgeprägten Übergängen von Offenland zu geschlossenem Wald überführt wurden. Derartig genutzte Bestände beherbergen aufgrund ihres halbschattigen Übergangscharakters artenreiche Lebensgemeinschaften mit Arten sowohl des Offenlandes als auch des dichteren Waldes.

Viele der stark gefährdeten, planungsrelevanten Arten der FFH-Anhänge II und IV im Wald sind sogenannte „Lichtwaldarten“, d.h. Arten, die lichtreich strukturierte Wälder bevorzugen (vgl. Müller 2015, BfN: https://www.bfn.de/arten). „Lichtwaldarten“ sind mit ihren Habitat-Präferenzen an eine forstbetrieblich kaum zu planende Sukzessions- oder Nutzungsdynamik von lichten Übergangssituationen gebunden, die sich durch relativ arbeits- und kostenaufwändige Maßnahmen wie lokale Freistellungen, Einzelstammentnahme, etc. kaum imitieren lassen. Einge der stark gefährdeten xylobionten Käfer (z.B. Cerambyx cerdo, Rosalia alpina, Lucanus cervus) sind „Lichtwaldarten“. Sie benötigen zwar ausreichend starkes Totholz, das aber in lückigen, besonnten Waldbereichen (BfN: https://www.bfn.de/arten). Auch der Frauenschuh (Cypipedium calceolus) ist eine typische „Lichtwaldart“ , die in Süddeutschland Lichtverhältnisse um die ca. 20 bis 40 % des insgesamt eingestrahlten Lichtes bevorzugt (vgl. Brunzel & Sommer 2016). Noch viel auffälliger ist eine Präferenz für Lichtwald-Situationen bei vielen Falterarten der FFH-Anhänge und der Roten Listen, vor allem für die, die anhaltende starke Rückgänge verzeichnen. So kommen Arten wie Coenonympha hero, Euphydryas maturna, Satyrium ilicis, Eriogaster catax u.a. nur in einem raumzeitlichen Nebeneinander unterschiedlicher Teil-Lebensräume von Offenland bis lichtem Wald vor. Der Großteil der verbliebenen Populationen dieser Arten findet sich deshalb an Orten, wo entweder noch Mittel- oder Niederwaldwirtschaft praktiziert wird oder Waldweidestrukturen (Hutewald) überdauert haben (Dolek et al. 2018, Reinhardt et al. 2020, BfN: https://www.bfn.de/arten).

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Quellen

BfN: https://www.bfn.de/arten

Brunzel, S. & M. Sommer (2016): Schutzmaßnahmen für den Frauenschuh Verbesserung des

Erhaltungszustands von Cypripedium calceolus.- Naturschutz und Landschaftsplanung 48 (4),

2016: 114-121.

Dolek, M., Kőrösi, Á. & A. Freese-Hager (2018): Successful maintenance of Lepidoptera by 

government-funded management of coppiced forests.- Journal for Nature Conservation 43 (2018): 

75-84.

Müller, J. (2015): Prozessschutz und Biodiversität. Überraschungen und Lehren aus dem

Bayerischen Wald. Natur und Landschaft, 90: 421-425.

Reinhardt, R. Harpke, A., Caspari, S. Dolek, M., Kühn, e. Musche, M. Trusch, R. Wiemers, M.

Settele, J. (2020): Verbreitungsatlas der Tagfalter und Widderchen Deutschlands. Ulmer 428 S. 

Datum: 13.12.2024
Online: https://www.natura2000manager.de
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