Biodiversitätsstrategie 2030 und Umsetzungsdefizite
2016 bewertet der Fitness-Check der EU die Vogelschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie als notwendig, um die europäischen Arten und Lebensräume zu erhalten und zu schützen. Allerdings sind Verbesserungen notwendig, um die Ziele der beiden Richtlinien zu erreichen. Der Ausbau des Schutzgebietsnetzes ist, insbesondere im marinen Lebensraum, nicht abgeschlossen, weswegen die Wirksamkeit des Netzes nicht ihr volles Potential entfaltet. Verbesserungen sind zudem beim Wissens- und Erfahrungsaustausch, der politischen Integration der Ziele sowie Kohärenz mit anderen EU-Maßnahmen und bei einer effizienten Finanzierung und Verwaltung notwendig (vgl. Europäische Kommission 16.12.2016).
Dieses Bild wird durch den umfassenden Bericht der Europäischen Kommission über den Zustand der Natur von 2013 bis 2018 bestätigt. Das Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie 2020, den Rückgang der erhaltenswerten Lebensräume und Arten aufzuhalten, ist gescheitert (vgl. Europäische Kommission 15.10.2020).
Der Bericht bildet die Grundlage zur Bemessung von Fortschritten der nachfolgenden Biodiversitätsstrategie 2030, welche am 20.05.2020 veröffentlicht wurde. Ziel der neuen Strategie ist, die negative Entwicklung der Biodiversität in Europa innerhalb von 10 Jahren umzukehren. Die Biodiversitätsstrategie 2030 benennt fünf Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt:
- Veränderungen der Land- und Meeresnutzung
- übermäßige Ressourcennutzung
- Klimawandel
- Umweltverschmutzung
- invasive, gebietsfremde Arten
Diese Ursachen sollen mit konkreten Maßnahmen angegangen werden, um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Die Natur der Europäischen Union soll geschützt und wiederhergestellt werden, indem das Schutzgebietsnetz der EU verbessert und erweitert wird. Bis 2030 sollen jeweils 30 % der Landes- und Meeresflächen der EU unter Schutz gestellt werden, wobei ein Schwerpunkt auf Gebieten mit besonders hohem Biodiversitätswert oder -potential liegt. Diese, sowie ein Drittel der Schutzgebiete der EU sollen besonders streng geschützt werden. Ein Augenmerk liegt hierbei auf Primärwäldern sowie weiteren kohlenstoffreichen Ökosystemen. Um eine effektive Umsetzung der Ziele zu gewährleisten, sollen die Erhaltungsziele und ‑maßnahmen eindeutig definiert werden (vgl. Europäische Kommission 20.05.2020a,b).
Der Zustand von geschädigten und in schlechtem Zustand befindlichen Ökosystemen soll mithilfe des EU-Planes zur Wiederherstellung der Natur verbessert werden. Hierfür wird ein Vorschlag für einen neuen Rechtsrahmen zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme ausgearbeitet. Außerdem beinhaltet der Plan folgende Punkte:
- Verbesserung von mindestens 30 % der geschützten Lebensräume und Arten, welche sich nicht in einem nicht günstigen Erhaltungszustand befinden
- Wiederherstellung frei fließender Flüsse auf mindestens 25 000 Flusskilometern
- Eindämmung und Umkehr des Rückgangs von Feldvögeln und Insekten (besonders der Bestäuber)
- Verringerung der durch invasive, gebietsfremde Arten gefährdeten Rote-Liste-Arten um 50 %
- Verringerung des Gesamteinsatzes chemischer Pestizide und risikoreicher/ gefährlicher Pestizide um jeweils mindestens 50 %
- kein Einsatz von Pestiziden in empfindlichen Gebieten (zum Beispiel städtische Grünflächen)
- ökologischer Landbau auf mindestens 25 % der landwirtschaftlichen Flächen, sowie Steigerung agrarökologischer Bewirtschaftungsweisen
- Verringerung des Verlustes von Düngemitteln bei Ausbringung um mindestens 50 %, Verringerung des gesamten Düngemitteleinsatzes um 20 %
- Landschaftselemente mit großer biologischer Vielfalt auf mindestens 10 % der landwirtschaftlichen Flächen
- Sanierung kontaminierter Böden
- Unterbindung / Verringerung von Beifängen geschützter Arten
- Verringerung negativer Auswirkungen auf empfindliche Arten und Lebensräume durch Fischerei und Fördertätigkeit am Meeresboden
- Pflanzung von 3 Milliarden Bäumen
- Stadtbegrünungs-Pläne für Städte ab 20 000 Einwohner
Zusätzlich zu den Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur in Europa soll die Um- und Durchsetzung der EU-Umweltvorschriften verbessert werden. Zudem wird ein Wissenszentrum für Biodiversität geschaffen sowie eine Partnerschaft zur Erhaltung der biologischen Vielfalt etabliert. Ebenfalls soll die Integration des Schutzes der biologischen Vielfalt in politische und wirtschaftliche Entscheidungsprozesse verbessert werden, indem Besteuerungs- und Bepreisungssysteme gefördert werden (vgl. Europäische Kommission 20.05.2020a,b).
Quellen
Europäische Kommission (16.12.2016): Arbeitsunterlage der Kommissionsdienstellen. Zusammenfassung des Fitness-Checks des EU-Naturschutzrechts (Vogelschutzrichtlinie und Habitat-Richtlinie). Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten und Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. Brüssel, verfügbar unter https://ec.europa.eu/environment/nature/legislation/fitness_check/index_en.htm
Europäische Kommission (15.10.2020): Bericht der Kommission an das europäische Parlament, den Rat und den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss. Der Zustand der Natur in der Europäischen Union. Bericht über den Zustand und die Trends von unter die Vogelschutz- und Habitat-Richtlinie fallenden Lebensraumtypen und Arten für den Zeitraum 2013-2018. Brüssel, verfügbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0635&from=DE
Europäische Kommission (20.05.2020a): Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. EU-Biodiversitätsstrategie für 2030. Mehr Raum für die Natur in unserem Leben, Brüssel, verfügbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1590574123338&uri=CELEX:52020DC0380
Europäische Kommission (20.05.2020b): Fragen und Antworten: EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 – Mehr Raum für die Natur in unserem Leben, Brüssel, verfügbar unter https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_20_886