Renaturierung Fließgewässer
Renaturierung von Fließgewässern
Fließgewässer und ihre Auen gehören weltweit zu den artenreichsten Ökosystemen (Ward et al. 1999, Robinson et al. 2002). Grundvoraussetzung für die hohe Biodiversität ist die natürliche Habitatvielfalt im Gewässer (z.B. durch Totholz, Laubansammlungen) und in den Ufer- und Auenbereichen (dynamische Uferbänke, Überschwemmungsbereiche). Jedoch sind Gewässer und Auen bundesweit in einem schlechten Zustand (BMU & BfN 2021, BUMV & UBA 2022). Die Hauptstressoren stellen Veränderungen der Gewässermorphologie und stoffliche Belastungen dar. Verschiedene politische Rahmenbedingungen, wie z.B. die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und das Bundesprogramm Blaues Band (BBD) zielen auf Verbesserungen von Gewässern (WRRL) und deren Auen (BBD) ab, so dass im Zuge deren Umsetzung zahlreiche Gewässerabschnitte renaturiert wurden und werden. Belastungen von Gewässern und Auen liegen auf unterschiedlichen räumlichen Skalen vor: auf der Gewässerabschnittsebene, der Gewässernetzebene und der Einzugsgebietsebene. Hydromorphologische Maßnahmen, also Maßnahmen zur Verbesserung von Gewässer- und Auenstrukturen erfordern demnach Maßnahmen auf unterschiedlichen räumlichen Skalen.
Die Planung und Umsetzung von Maßnahmen an Gewässern erfordert verschiedene Arbeitsschritte: angefangen von der Festlegung der Planungsziele über die Klärung der Finanzierung, die Flächensicherung, das Planungs- und Genehmigungsverfahrens, die eigentliche bauliche Umsetzung der Maßnahme und im besten Falle der Erfolgskontrolle. In das gesamte Prozedere sollten neben verschiedenen Behörden im besten Fall auch Naturschutzverbände und die Öffentlichkeit eingebunden sein (Umweltbundesamt 2019).
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass sich die Schaffung naturnaher Gewässer- und Auenhabitate im Zuge hydromorphologischer Maßnahmen insgesamt positiv auf die Fauna und Flora von Gewässern und Auen auswirken können, jedoch oft mit unterschiedlichen Reaktionen abhängig von der betrachteten Artengruppe. Artengruppen der Aue wie z.B. die Auenvegetation, die Vögel und die Laufkäfer reagieren oft sehr schnell und deutlich, während Artengruppen im Gewässer oft nicht oder nur zeitverzögert reagieren (Januschke et al. 2017, Januschke 2018, Pilotto et al. 2018). Neben dem Ausbreitungspotenzial von Arten (für Artengruppen der Aue teils deutlich effektiver als für Artengruppen der Gewässer) gibt es weitere Randbedingungen, die den Erfolg von Maßnahmen limitieren oder fördern können, z.B. der Faktor Zeit und Belastungen, die ihren Ursprung im Einzugsgebiet eines Gewässers haben. Übergeordnet können sich hier (historische) Belastungen der Wasserqualität, ausgehend von der Landwirtschaft, auf das gesamte Gewässersystem negativ auswirken. Positiv für einen möglichen Erfolg von Maßnahmen können naturnahe Gewässerabschnitte in Nähe von geplanten Maßnahmenabschnitte wirken, da sie als wichtige Besiedlungsquellen dienen und damit positiv auf stromabwärts liegende Gewässerabschnitte „strahlen“. Das sogenannte Strahlwirkungskonzept dient in einigen Bundesländern (z.B. Nordrhein-Westfalen; LANUV 2011) als wichtige Planungsgrundlage für Maßnahmen. Für die biozönotische Erfolgskontrolle hydromorphologischer Maßnahmen stehen zwei Verfahren zur Verfügung. Das LAWA-Verfahren nach Pottgiesser et al. (2020) enthält eine Anleitung für die Bewertung des aquatischen Bereichs und ist durchführbar mit Daten zur Gewässerstrukturgüte und den biologischen Qualitätskomponenten (Makrozoobenthos, Fische, Makrophyten), die nach den Methoden der Wasserrahmenrichtlinie erhoben werden. Das Verfahren von Januschke et al. (2021) erlaubt eine biozönotische Erfolgskontrolle an Gewässerufern und in Auen für die Habitatausstattung sowie die Artengruppen Amphibien, Gefäßpflanzen, Land- und Wassermollusken, Laufkäfer sowie Vögel.
Fotogalerie
Quellen
BMU (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit) & BfN (Bundesamt für Naturschutz) (2021): Auenzustandsbericht 2021 – Flussauen in Deutschland. Bonn. 72 S.
BMUV (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau, Reaktorsicherheit und Verbraucherschutz) & UBA (Umweltbundesamt) (2022): Die Wasserrahmenrichtlinie - Deutschlands Gewässer 2021. Fortschritte und Herausforderungen. – Bonn, Dessau. 124 S.
Januschke, K. (2018): Effekte von Gewässerrenaturierungen auf aquatische und terrestrische Organismengruppen. Angewandte Carabidologie 12 (2018): 37–47.
Januschke, K., G. Ledesma-Krist, M. Scholz, M. Gelhaus, B. Stammel & D. Hering (2017): Metadaten - aktueller Bestand zum Monitoring in Auen. In: Schneider, E., Werling, M., Stammel, B., Januschke, K., Ledesma-Krist, G., Scholz, M., Hering, D., Gelhaus, M., Dister, E. & G. Egger (Hrsg.): Biodiversität der Flussauen Deutschlands. Bundesamt für Naturschutz, Bonn Bad Godesberg. - Naturschutz und Biologische Vielfalt Heft 163: 119-147. ISBN: 978-3-7843-4063-0.
Januschke, K., Hering, D., Stammel, B., Brunzel, S., Scholz, M., Rumm, A., Sattler, J., Foeckler, F., Fischer-Bedtke, C., Makiej, A. & T. Ehlert (2021): Biozönotische Auenzustandsbewertung zur Erfolgskontrolle – Auenmagazin, Heft 20: 20–28. Magazin des Auenzentrums Neuburg a. d. Donau. ISSN 2190–7234.
LANUV (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen) (2011): Strahlwirkungs- und Trittsteinkonzept in der Planungspraxis. Recklinghausen. LANUV-Arbeitsblatt 16. 99 S.
Pilotto, F., Tonkin, J.D., Januschke, K., Lorenz, A.W., Jourdan, J., Sundermann, A., Hering, D., Stoll, S. & Haase, P. (2018): Diverging response patterns of terrestrial and aquatic species to hydromorphological restoration. Conservation biology 33: 132-141. doi: 10.1111/cobi.13176.
Pottgiesser, T., K. Januschke & A. Müller (2020): Verfahrensempfehlung zur Erfolgskontrolle hydromorphologischer Maßnahmen in und an Fließgewässern – Handbuch. LAWA-Projekt O 8.18. 116 S.
Robinson, C. T., Tockner, K., & Ward, J. V. (2002). The fauna of dynamic riverine landscapes. Freshwater Biology 47(4): 661–677.
Ward, J. V, Tockner, K., & Schiemer, F. (1999): Biodiversity of floodplain river ecosytems: ecotones and connectivity. Regul. Rivers: Res. Mgmt. 15: 125–139.